Am Ort des neuen Winzerheims stand schon eine Gartenlaube eines ehemaligen Bürgermeisters, errichtet vor ca. 100 Jahren, direkt an die mittelalterliche Stadtmauer angebaut. Eine Inschrift in der Stadtmauer bezeugt, dass hier bereits 1664 Weintrauben geerntet wurden. Das alte Gebäude war baufällig, die Stadtmauer neigte sich mangels ausreichender Fundierung schleichend nach Süden zum Stadtgraben. Diese Bewegung wurde seinerzeit durch Erdanfüllung provisorisch begegnet.

Eine Baugenehmigung im Zwingerbereich der Stadtmauer ist normalerweise ausgeschlossen. Die Begründung, im Baufenster des Altbaus zu bleiben, die Stadtmauer wieder freizulegen und die Mauerbewegungen aufzuhalten, machte jedoch eine Baugenehmigung möglich. Das neue Gebäude erhielt einen Gewölbekeller, der tiefer gründete als die Stadtmauer und diese im Pilgerschrittverfahren unterfing. Die Giebelwände und Pfeiler stützen die bis zu 70 cm überhängende Stadtmauer ab. Sie sind monolithisch verbunden mit den Stahlbetondecken, die von der Stadtmauer abrücken und den Blick auf die gesamte Höhe freigeben. Der Stahlbeton ist ocker durchgefärbt und geflammt.

Die verbauten Materialien sind von ausgesuchter Qualität und aufeinander abgestimmt. Vom Weinkeller über den Empfangsbereich bis hinauf in „Karls Philosophenstube“ wurde die Stadtmauer als sichtbares Element sorgfältig restauriert. An der langen Tafel im Erdgeschoss finden 22 Personen Platz, und wenn die großen Glaswände aufgefahren werden, sitzt man quasi im Freien und hat doch die gepflegte Atmosphäre des Hauses um sich herum.